Wie Sie als Führungskraft zur Konfliktbewältigung im Team beitragen können
Stellen Sie sich vor, Sie kommen in den Raum, sehen mehrere bockige Gesichter und spüren sofort: Da liegt etwas in der Luft. Sie haben das Gefühl, dass die Besprechung unter gar keinem guten Stern mehr steht. Und das, obwohl sie noch gar nicht angefangen hat. Nur eine Spielart, in der Konflikte in der Zusammenarbeit zum Thema werden. Als Führungskraft können Sie auf ganz unterschiedliche Art und Weise mit Konflikten zu tun haben.
Sie sind als Vorgesetzter an dem Konflikt unmittelbar beteiligt, vielleicht sogar Mitverursacher.
Sie finden sich in der Moderatorenrolle wieder, weil Mitarbeiter Sie bitten, in einem Konflikt zu moderieren, weil sie allein keine gute Lösung finden. Manchmal wird von Ihnen erwartet, mit Autorität eine Entscheidung herbeizuführen.
Nach Ausweitung der Kampfzone sitzen Sie „zwischen den Stühlen“, weil beide Konfliktparteien versuchen, sie in eines der „feindlichen Lager“ zu ziehen.
Ihre Arbeitszeit verbringen Sie immer weniger damit, Aufgaben zu delegieren, Entscheidungen zu treffen oder Menschen zu führen, sondern vor allem damit, Botschaften von A nach B zu überbringen, weil A und B nicht mehr direkt miteinander sprechen.
Wie häufig haben Sie Ihr eigenes Konfliktverhalten reflektiert? Wie sehr Ihr Verhalten und Ihre Kommunikationsstrategien kritisch hinterfragt? Wissen Sie genau, was Ihre Beiträge sein können, um in Konfliktsituationen als Führungskraft konstruktiv zu agieren? Der Artikel liefert Ihnen Anregungen für Ihren Umgang mit Konflikten. Nur für den Fall der Fälle.
Fehler die wir bei Konflikten machen
Achten Sie einmal bei sich und anderen auf die im Folgenden beschriebenen Verhaltensweisen. Sich solche Reaktionen bewusst zu machen, ist der erste Schritt zur Lösung vieler Konflikte.
Personalisieren
Vor allem in Drucksituationen neigen wir dazu, Konflikte schnell zu personalisieren. Gefühle der Überforderung münden in Schuldzuweisungen an Dritte. Wenn wir Personen als Ursache für ihr Verhalten („Mit dem ist nicht gut Kirschen essen, weil er unfähig, faul, ignorant … ist“) ansehen, begehen wir den fundamentaler Attributionsfehler: „Dein Verhalten zeigt deinen schlechten Charakter, ich bin ja nur gezwungen zu reagieren!“ Sind wir in einem „Mauern und Blocken“-Modus gefangen, schleicht sich der feindselige Attributionsfehler ein, in dem wir alle Versuche des anderen, den Konflikt zu klären – egal ob neutral oder sogar positiv, als negativ abtun: „Dein Versöhnungsversuch ist nur ein billiger Trick!“ Die Gefahr: Das Gegenüber wird immer stärker dämonisiert, man selbst gerät in einen Teufelskreis. Wenn Menschen den anderen nicht verstehen können, greifen sie auf die letzten Erklärungsversuche zurück, die noch übrig bleiben: „Der ist einfach dumm, ein schlechter Mensch und nicht mehr normal.“
Niklas Luhmann, ein bekannter Soziologe und wichtiger Vertreter der modernen Systemtheorie, bezeichnete Konflikte, die eine solche Eigendynamik entwickeln als „Parasiten“. Dieser Parasit setzt sich in der ganzen Beziehungsstruktur fest und breitet sich inflationär aus. Irgendwann ist keine normale Kommunikation, selbst die harmloseste mehr möglich, wenn sogar „Kannst du mir die Tür aufhalten?“ mit „Mach’s doch selbst!“ gekontert wird. Die Auswirkungen dieser Denkweisen sind sich verschärfende interaktionelle Abwärtsspiralen, in denen die Beteiligten füreinander als Zusatzstressor werden. Die Klärung des Konflikts bleibt unbeantwortet. Als Führungskraft hilft es, wenn Sie sich bewusst sind, dass wir Menschen dazu neigen, zu personalisieren und als „Erklärung“ für Konflikte den Charakter des Gegenübers heranziehen. Meist wirkt das toxisch und verschärft den Konflikt weiter. Personalisierungstendenzen zu widerstehen, ist gar nicht leicht, für die Konfliktbewältigung aber umso wichtiger. Tatsächlich zeigt sich bei näherem Hinsehen sehr häufig, es ist nicht der unfähige Kollege, sondern eine unklare Situation mit ungeklärten Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die viel zum Konflikt beiträgt. Und erst dort, wo nicht mehr der andere dämonisiert wird, werde ich konstruktive Wege des Umgangs suchen.
Aufschieben
Vielleicht standen Sie als Führungskraft auch schon vor der Frage, ob Sie Konflikte zwischen Mitarbeitern ansprechen sollen oder nicht? Die Auseinandersetzung mit Konflikten und deren Klärung schiebt man häufig auf. Manchen ist dieses Verhalten auch als Vogel-Strauß-Taktik bekannt. Das ist durchaus nachvollziehbar. Wer von uns reißt sich schon um solche Gespräche? Konflikte bereiten niemandem wirklich Freude. Doch das Aufschieben ist selten hilfreich und führt zu weiteren Eskalationen. Vor allem vergeht Zeit, während man selbst noch hofft, das Problem erledigt sich von selbst. Klare Message: Tut es eigentlich nie! Wenn es so leicht ginge, wäre es Ihnen gar nicht als Dauerkonflikt aufgefallen. Die Weisheit „Reden ist Silber, schweigen ist Gold“ gilt hier nicht. Packen Sie all Ihren Mut zusammen, krämpeln Sie die Ärmel hoch und nutzen Sie die Zeit besser, um Lösungen zu generieren oder um Erwartungen klar zu formulieren.
Konfliktgespräche vorbereiten
Wenn wir es in der Praxis nicht immer wieder anders erleben würden, würden wir uns die Vorrede über die Schaffung angenehmer Rahmenbedingungen (angemessene Räumlichkeiten, Ungestörtheit, ausreichend Zeit) sparen. Geht aber nicht. Denn immer noch werden Konfliktgespräche zwischen Tür und Angel geführt. Keine gute Idee. Die goldene Regel ist, ein Konfliktgespräch sorgfältig vorzubereiten und nicht „mal eben nebenbei“ zu führen. Viel zu häufig eskalieren unvorbereitete und spontane Konfliktgespräche, obwohl das durch eine besonnene Vorbereitung vermeidbar gewesen wäre.
Genauso häufig ist die Idee bei Führungskräften anzutreffen, man könnte selbst ganz ruhig und sachlich bleiben, indem man sich das nur einfach einmal sagt. Noch häufiger geht das in die Hose. Vor allem dann, wenn man selbst emotional beteiligt oder angefixt ist. Anstelle sich sofort auf Sachlichkeit zurückzuziehen, prüfen Sie doch einmal Ihre eigenen Emotionen. Ärger, Enttäuschung, Frust – all das sind wichtige Signalgeber dafür, was als nächstes angezeigt ist. Überprüfen Sie, was davon Sie im Gespräch zum Thema machen wollen – und was aus guten Gründen auch nicht. Machen Sie sich aber klar, dass Ihre eigenen Gefühle und auch die der Mitarbeiter ihre Berechtigung haben, dass sie sein dürfen.
Konfliktlösung nach dem Fünf-Stufen-Modell
Die folgenden 5 Schritte sollen Ihnen eine Orientierung geben. Diese werden am Beispiel von Herrn Maier dargestellt, der schon länger in ihrem Team gute Arbeit leistet, aber leider regelmäßig zu spät kommt, was immer wieder auch bei den Kollegen zu Unstimmigkeiten führt. Herr Maier ist als Niedrigleister ein Spezialfall – trotzdem können Sie die folgenden fünf Stufen auf viele verschiedene Konfliktsituationen anwenden:
1. Schritt: Wahrnehmung
Schildern Sie zunächst Ihre Wahrnehmung. Bleiben Sie dabei auf einer sachlichen Ebene und beschreiben Sie Ihre Wahrnehmung ganz konkret und belegbar. Vermeiden Sie Verallgemeinerungen wie „immer, ständig, nie“.
„Herr Maier, ich habe bemerkt, dass Sie in den vergangenen zwei Wochen vier Mal zu spät gekommen sind.“
2. Schritt: Wirkung
Schildern Sie Herrn Maier, welche Wirkung sein Verhalten auf Sie hat. Wichtig ist, dass Sie an dieser Stelle Ich-Botschaften formulieren. Denken Sie dabei daran, dass die Verspätungen auch ganz andere Ursachen haben können.
„Auf mich wirkt dies, als ob Sie demotiviert sind.“
3. Schritt: Folgen und die eigenen Bedürfnisse
Beschreiben Sie die Folgen, die das Verhalten von Herrn Maier verursacht und nehmen Sie dabei auf Ihre eigenen Bedürfnisse, Ihre eigenen Werte Bezug. Dabei können Sie dies aus Ihrer Perspektive tun oder aus der Sicht von anderen (z.B. Kollegen):
Sie: „Ich wurde deswegen schon von der Personalleitung angesprochen und das ist mir ziemlich peinlich. Mir ist es wichtig, dass wir als zuverlässig gelten.“
Kollegen: „Ihre Kollegen mussten deshalb schon Überstunden machen und sind darüber nicht sehr begeistert. Mir ist es als Vorgesetzter wichtig, dass sich alle gerecht behandelt fühlen.“
4. Schritt: Wunsch, Bitte, Erwartung oder Forderung
Formulieren Sie eine Bitte oder klare Erwartung an Herrn Maier.
„Ich erwarte von Ihnen, dass Sie in Zukunft pünktlich erscheinen!“
5. Schritt: Verbindlichkeit und Unterstützungsangebot
Sorgen Sie im Anschluss für Verbindlichkeit. Sammeln Sie gemeinsam mit Herrn Maier verschiedene Lösungen. Hier ist es hilfreich, diese am Flipchart oder auf einem Notizblock zu visualisieren. Streichen Sie Lösungsansätze, die für keinen der Konfliktpartner in Frage kommen. Versuchen Sie sich auf die beste Lösung zu einigen und treffen Sie eine Vereinbarung. Diese sollten Sie schriftlich und überprüfbar fixieren. Außerdem sollten Sie Herrn Maier Ihre Unterstützung anbieten.
„Wie könnten wir vorgehen, damit Sie in Zukunft pünktlich erscheinen?“
„Ich hätte folgende Lösungsidee: …“
„Was können wir machen, wenn Sie der Meinung sind, dass … und ich der Meinung bin, dass …?“
„Kann ich Sie dabei unterstützen?“
In diesem Beispiel waren Sie als Führungskraft im direkten Gespräch mit Herrn Maier. Genauso hätte es aber auch sein können, dass Sie als Moderator zwischen Maier und einem genervten Kollegen auf den Plan gerufen werden, oder selbst schon merken, dass Sie durch das wochenlange Zu-Spät Kommen des Maier einen innerlichen Groll auf ihn entwickelt haben, der ein ruhiges Gespräch für Sie quasi unmöglich macht. Nutzen Sie auch in diesen Situationen die fünf Stufen! Sie helfen Ihnen, bei der Sache zu bleiben, die eigenen Gefühle in den Griff zu kriegen, im Zweifel Verantwortungen und Befugnisse sachlich zu klären und als Fels in der Brandung zwischen den aufgebrachten Kollegen vermitteln zu können.
Überlegen Sie sich im Vorfeld, was Sie genau sagen wollen. Die Vorbereitung kostet Sie vielleicht fünf Minuten Zeit, spart Ihnen aber sehr viel mehr, weil der andere weniger verärgert und sie konkret und schnell das besprechen und das klären, was es zu klären gilt.
So ein Plan ist hilfreich, erscheint Ihnen für die Praxis aber an mancher Stelle zu kompliziert? Oft hilft schon das, was man als „gesunden Menschenverstand“ bezeichnen könnte. Verabschieden Sie sich von dem Anspruch, dass es im Konfliktfall die optimale, ganz gerechte Lösung gibt. Die Wahrheit ist: Es gibt sie meistens nicht, und eine allzu verkrampfte Suche nach ihr verschärft nur das Problem. Das Gerechtigkeitsparadoxon wird wunderbar in dem abgebildeten ComicHans Traxler, Chancengleichheit, in: Michael Klant , [Hrsg.] , Schul-Spott : Karikaturen aus 2500 Jahren Pädagogik ,Fackelträger, Hannover 1983, S. 25 veranschaulicht. Die Aussage des Prüfers lautet: „Zum Ziele einer gerechten Auslese lautet die Prüfungsaufgabe für Sie alle gleich: Klettern Sie auf den Baum!“ (Zeichnung von Hans Traxler). Überlegen Sie einmal selbst: Wie oft geht es bei Ihnen in Konfliktgesprächen vielleicht darum, eine gerechte Lösung zu finden, die es ehrlicherweise so gar nicht geben kann?
In vielen Situationen werden Sie als Führungskraft gefragt sein, eine Position zu entwickeln und diese auch zu verantworten. Ganz ohne Rumgeeier. Und im Kontakt mit Mitarbeitern geht es doch letztlich vor allem darum, gemeinsam einen guten Umgang miteinander zu finden. Wir alle wollen uns auch in normalen Gesprächssituationen wohl fühlen – warum also nicht auch im Konfliktgespräch dafür sorgen, dass die Stimmung nicht gleich kippt? Deswegen kommen hier noch ein paar altbekannte, aber nie aus der Mode geratene Klassiker für ein gutes Gesprächsklima:
Allgemeine Tipps für konstruktives Verhalten in Konfliktgesprächen
Formulieren Sie „Ich-Botschaften“ (z.B. „Mir ist aufgefallen, dass …“, „Ich bin unzufrieden, weil …“).
Hören Sie Ihrem Gesprächspartner aktiv zu und fragen Sie bei Unklarheiten nach (z.B. „Mir ist noch unklar …“, „Ich habe folgendes verstanden: …“).
Nutzen Sie gezielt Gesprächspausen, um Spannung zu erzeugen oder die Dynamik eines Gesprächs zu beeinflussen, d.h. schweigen Sie und halten Sie auch mal Schweigen aus. Sie werden sehen, das wirkt Wunder.
Formulieren Sie Vorwürfe des Gesprächspartners um in Wünsche und Erwartungen, z.B. „Was erwarten Sie in diesem Zusammenhang konkret von mir?“.
Vermeiden Sie eigene Vorwürfe und Schuldzuweisungen.
Achten Sie auf Ihre Mimik und Gestik (z.B. Winken Sie nicht abfällig ab).
Sprechen Sie die Gefühle des Mitarbeiters an und gehen Sie auf ihn ein (z.B. „Ich kann verstehen, dass Ihnen diese Situation sehr unangenehm ist.“).
Betonen Sie Gemeinsamkeiten, um einen Konsens oder eine Win-Win-Situation zu erzielen. („Uns allen ist daran gelegen, dass die Zusammenarbeit reibungslos gelingt.“)
Zu guter Letzt: Humor ist, wenn man trotzdem lacht
Platzen Sie mitten in einen Streit rein oder sind Sie während eines Konflikts anwesend, kann ein lockerer Spruch dabei helfen, die akute Konfliktsituation zu entschärfen á la: „Sie streiten sich ja wie ein altes Ehepaar, ich bin aber leider kein Paartherapeut.“ Auch wenn man dadurch den Streit nicht sofort klären kann, so bringt man die Streithähne zumindest dazu, kurz innezuhalten. Arbeiten die Mitarbeiter schon länger zusammen, wird gleichzeitig auch an die bereits bestehende Beziehung zwischen den beiden erinnert und im besten Fall das Gemeinschaftsgefühl angeregt. Passend dazu könnte eine der Fragen im Konfliktgespräch lauten: „Wie haben Sie denn früher solche Situationen gelöst?“. Oder drehen Sie den Spieß auch mal um: „Was müssten wir alle tun, damit der Konflikt noch schlimmer wird?“ – „Wollen wir das?“. Dem Konflikt die Ernsthaftigkeit zu nehmen und etwas Komisches abzugewinnen hilft dabei, Stress zu reduzieren.