Psychische Gefährdungsbeurteilungen können dabei helfen, Schritt für Schritt die psychische Belastung bei Beschäftigten zu reduzieren und ihre psychische Gesundheit fördern.
Die gesetzlichen Grundlagen
Die grundlegende Aufgabe der Beurteilung der Arbeitsbedingungen (Gefährdungsbeurteilung) im betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz ist bereits seit 1996 im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) festgelegt. Bislang wurden psychische Belastungen jedoch nicht explizit im Gesetzestext erwähnt. Sowohl Betriebe als auch Aufsichtspersonen waren damit der Verunsicherung ausgesetzt, ob und welche Pflichten der Arbeitgeber bezüglich der psychischen Belastung der Beschäftigten hat und wann diese erfüllt wären. Vor diesem Hintergrund und der deutlichen Zunahme psychischer Belastungen in der Arbeitswelt, wurde durch die Zustimmung des Bundesrats zum „Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen“ das Arbeitsschutzgesetz im vergangenen Jahr verändert. Die Berücksichtigung der psychischen Belastung bei der Gefährdungsbeurteilung ist seither explizit im Arbeitsschutzgesetz verankert und festgeschrieben.
So heißt es jetzt in ArbSchG §4 Nr. 1: „Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird“. Außerdem ist unter ArbSchG §5, Abs. 3, Nr. 6 („Psychische Belastung bei der Arbeit“) die Berücksichtigung psychischer Belastungen bei der Gefährdungsbeurteilung hinzugekommen. Durch diese Änderungen wird klargestellt, dass sich die Gefährdungsbeurteilung auch auf psychische Belastungen beziehen und der Gesundheitsbegriff neben der physischen auch die psychische Gesundheit der Beschäftigten umfasst. §6 des ArbSchG regelt wie bisher die Dokumentationspflichten. In ArbSchG §6 Nr. 1 heißt es: „Der Arbeitgeber muss über die je nach Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten erforderlichen Unterlagen verfügen, aus denen das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die von ihm festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes und das Ergebnis ihrer Überprüfung ersichtlich sind. Bei gleichartiger Gefährdungssituation ist es ausreichend, wenn die Unterlagen zusammengefasste Angaben enthalten.“
Die notwendigen Inhalte der psychischen Gefährdungsbeurteilungen ergeben sich in enger Anlehnung an die DIN ISO EN 10075 „Ergonomische Grundlagen bzgl. psychischer Arbeitsbelastungen“. In ihr werden Gestaltungsgrundsätze menschengerechter Arbeit zur Vermeidung psychischer Fehlbeanspruchungen erklärt und benannt.
Verstärkte Aufmerksamkeit der Aufsichtsbehörden
Politik und Aufsichtsbehörden widmen der Frage der psychischen Gesundheit zunehmende Aufmerksamkeit. Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) – eine gesetzlich verankerte, auf Dauer angelegte Aktion von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern zur Stärkung von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz – hat sich das Ziel gesetzt, Schutz und die Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung zu erreichen und in diesem Zusammenhang die Durchführung der Gefährdungsbeurteilungen in Unternehmen zu überprüfen. Erarbeitet wurden die Leitlinie „Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation“ und die Leitlinie „Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz„, die sich an die Verantwortlichen in den Aufsichtsbehörden wendet. Insofern sind verstärkte Maßnahmen der Aufsichtsbehörden wahrscheinlich. Aus den Leitlinien wird deutlich, dass die Aufsichtsbehörden Wert legen auf ganzheitliche Konzepte:
In der Praxis sollen nicht nur Mängel abgestellt, sondern auch präventive Maßnahmen zum Arbeitsschutz und der Gesundheitsförderung ergriffen werden.
Verantwortliche der Aufsichtsbehörden sollen Betriebe veranlassen, Maßnahmen zur Optimierung der Arbeitsgestaltung (Verhältnisprävention) und Maßnahmen zur Stärkung von Ressourcen und Know how der Beschäftigten (Verhaltensprävention) zu veranlassen.
Auch die „Gemeinsame Erklärung Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt„, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und vom Deutschen Gewerkschaftsbund verweist auf das verstärkte Interesse.
Warum sich die Gefährdungsbeurteilung lohnt
Der Arbeitgeber ist zur Gefährdungsbeurteilung und zu einer menschengerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes gesetzlich verpflichtet – aber selbst ohne Verpflichtung lohnt es sich, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und einen umfassenden Blick auf Arbeitsbedingungen über den klassischen Arbeitsschutz hinaus zu entwickeln. Durch die Beurteilung der potenziellen Gefährdungsfaktoren, die Auswirkungen auf flüssige Prozessabläufe, eine effiziente Aufgabenerledigung, die Qualität der Dienstleistungen und Produkte und ebenso auf die Zufriedenheit und Motivation der Beschäftigten, können letztlich die Produktivität des Unternehmens gesteigert und die Erreichung der ökonomischen Ziele gefördert und sichergestellt werden. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Unternehmen, die ihre Mitarbeiter regelmäßig befragen – und effektive Veränderungen auf der Basis des Feedbacks einleiten – zufriedenere und motiviertere Mitarbeiter haben. Auch das schlägt sich in Leistungsfähigkeit und Produktivität des Unternehmens nieder.
Psychische Gefährdungsanalysen sind ein wertvolles Instrument, um Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes umzusetzen. Die Artikelserie beleuchtet den Hintergrund, Grundlagen, ihren Ablauf und stellt Ihnen nützliche Tools und Methoden zur Erfassung und Beurteilung von Risikofaktoren vor.