(Psychische) Gesundheit am Arbeitsplatz fördern. Die Kirsche auf der Sahnetorte?
Die meisten Entscheider sind sich bewusst, dass die Beschäftigten die größte Ressource des Unternehmens darstellen. Im Idealfall gelingt es, Arbeitsbedingungen zu schaffen, in denen körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden möglich wird. Das fördert nicht nur die persönliche Zufriedenheit, sondern auch die Leistung und Produktivität. Lesen Sie, wieso Investitionen in die Gesundheit von Beschäftigten nicht nur notwendig, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sind.
Rücken kostet. Der schwarze Hund noch mehr.
Wie wichtig Maßnahmen Betrieblicher Gesundheitsförderung für Unternehmen sind, zeigt sich, wenn man sich aktuelle Zahlen zur Gesundheit vor Augen führt: Im Durchschnitt waren bei Betriebskrankenkassen pflichtversicherte Beschäftigte im Jahr 2013 17,6 Tage krankgeschrieben. Ein Viertel all dieser Krankheitstage der Arbeitnehmer geht auf Muskel- und Skeletterkrankungen zurück, auf Platz zwei landen Atemwegserkrankungen. Was vielen nicht bewusst ist, ist die zunehmende Bedeutung psychischer Erkrankungen. Psychische Störungen sind verantwortlich für ca. 15 Prozent aller krankheitsbedingten Fehltage. Bei längerfristiger Betrachtung zeigt sich ein erheblicher Anstieg der Fälle. Als einzige Krankheitsart stiegen innerhalb nur einer Generation die Fehlzeiten um das Fünffache an: Von knapp einem halben Tag je Pflichtmitglied im Jahr 1976 auf 2,6 Fehltage im Jahr 2013. Die Fehlzeiten erwerbstätiger Erwachsener stiegen für depressive Erkrankungen zwischen 2006 und 2012 in nur knapp sechs Jahren gar um 75 Prozent an.
Für Unternehmen besonders fatal ist die lange Ausfalldauer, die eine solche Erkrankung in der Regel mit sich bringt. Im Durchschnitt ganze 38 Arbeitsunfähigkeitstage pro Fall über alle psychischen Erkrankungen hinweg. Erkrankt ein Mitarbeiter an einer Depression, fällt er im Durchschnitt sogar ganze 64 Tage lang aus. Das ist viel. Und das kostet Geld. Und zwar erheblich mehr Geld, als die scheinbar weit verbreiteten Muskel-Skelett-Erkrankungen („Ich habe Rücken“) mit durchschnittlich 20 Arbeitsunfähigkeitstagen pro Fall, oder der jährliche Schnupfen im Büro mit durchschnittlich 6,5 Arbeitsunfähigkeitstagen pro Fall.
Wenn man Gesamtdeutschland betrachtet, wurden bereits 2008 im Rahmen der Krankheitskostenberechnung direkte Kosten arbeitsbedingter psychischer Belastungen von 9,9 Milliarden Euro ermittelt. Mit direkten Kosten sind all die Ausgaben für die Krankheitsbehandlung, die Mittel, die für Präventions-, Rehabilitations- und Pflegemaßnahmen sowie für Verwaltungskosten gemeint . Die indirekten Kosten (Verluste, die sich aus Arbeitsunfähigkeit, Invalidität und Tod ergeben) beliefen sich sogar auf 19,3 Milliarden Euro. Sie liegen höher als die Kosten für Muskel-Skelett-Erkrankungen (insgesamt 28,5 Mrd. im Jahr 2008 ) und nicht weit unterhalb des führenden Kosten-Verursachers Herz-Kreislauf Erkrankungen (35,2 Mrd. im jahr 2006).
Das bedeutet: Psychische Erkrankungen sollte man ernst nehmen.
Um beim Beispiel Depression zu bleiben: Der Zusammenhang zwischen psychosozialer Belastung am Arbeitsplatz und Depressionsentstehung wurde bereits in mindestens 15 wissenschaftlichen Studien nachgewiesen. Ein Anstieg der Betroffenenraten ist mit steigendem Alter zu beobachten. Vorbeugung ist für Arbeitgeber also essenziell, um der Entwicklung entgegenzuwirken und angesichts einer älter werdenden Belegschaft Ausfallkosten zu vermeiden.
Physisch + psychisch = TOP-Leistung
Maßnahmen zur Gesundheitsförderung haben nachgewiesenermaßen positive Effekte auf die Fehlzeiten. Ein erfolgreiches Betriebliches Gesundheitsmanagement zeichnet sich durch sorgfältige Bedarfserhebung, Maßnahmenplanung und Evaluation aus. Und es berücksichtigt die psychische Gesundheit von Beschäftigten mindestens so stark wie die physische Gesundheit. Das heißt, dass Sie nicht nur Sport- und Ernährungsangebote oder ergonomische Anpassungen des Arbeitsplatzes in den Blick nehmen sollten, auch wenn dies bereits ein guter Anfang ist.
Psychologisch aufgebaute Interventionen vermitteln persönliche Fähigkeiten, die für den einzelnen Mitarbeiter als Schutzfaktor dienen. Diese Maßnahmen helfen, depressive Symptome und damit krankheitsbedingte Fehlzeiten zu reduzieren. Als besonders wirksam haben sich Stressmanagementinterventionen erwiesen, die am Verhalten des Individuums ansetzen.
Zwei entscheidende Stellschrauben wurden damit bereits angesprochen: Ein angenehmes und angepasstes Arbeitsumfeld, also passende Verhältnisse, haben positive Effekte. Außerdem Bedarf es Aktivitäten, die Mitarbeiter für einen gesunden Lebensstil sensibilisieren und ihnen vermitteln, wie sie mit alltäglichen Stressoren und Belastungen im Arbeitsleben gesunderhaltend umgehen können.
Im i-Punkt 21 „Wirksamkeit und Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention“ sind in einer Tabelle verschiedene Maßnahmen, die im Rahmen von Wirksamkeitsstudien bereits untersucht wurden, übersichtlich aufbereitet. Auch wenn es seit der Veröffentlichung 2008 sicher mittlerweile eine Vielzahl an neuen Studien und Erkenntnissen gibt, so liefern doch auch diese Ergebnisse bereits wertvolle Einschätzungen für die Planung von Maßnahmen:
Eine letzte, sehr entscheidende Stellschraube wird häufig unterschätzt und sollte im Rahmen eines ganzheitlichen Gesundheitsmanagement-Konzepts unbedingt berücksichtigt werden: Das Führungsverhalten.
Führungskräfte als Joker der Betrieblichen Gesundheitsförderung
Führungskräfte sind sich ihrer entscheidenden Rolle für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter häufig nicht bewusst. Der Hernstein-Management-Report 2014 zeigt: Ein Großteil der 1079 befragten Führungskräfte wusste nicht, was sich hinter dem Begriff „gesunde Führung“ verbirgt.
Tatsächlich hat das von Mitarbeitern wahrgenommene Führungsverhalten aber einen erheblichen Einfluss auf Fehlzeiten, Krankheitstage und Fluktuation. So fand z.B. das Geva Institut in einer Untersuchung von 250 deutschen Unternehmen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Vorgesetztenverhalten und Krankmeldungen: In Unternehmen mit überdurchschnittlich hohen Fehlzeiten waren 60 Prozent der Mitarbeiter unzufrieden mit dem Führungsstil ihres Vorgesetzten und 80 Prozent fanden sogar, er könne sie nicht motivieren. Durch angemessenes Verhalten können Führungskräfte gar das Burnoutrisiko und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ihrer Mitarbeiter senken.
Mit einem probeweisen Austausch von Führungskräften konnte in einer Studie beobachtet werden, dass Führungskräfte „ihren“ Krankenstand auch in andere Abteilungen mitnehmen: Wird der Chef einer Abteilung mit hohem Krankenstand in eine bisher recht „gesunde“ Abteilung mit niedrigem Krankenstand versetzt, nähert sich der Krankenstand nach einiger Zeit dem Krankenstand seiner alten Abteilung an.
Diese Erkenntnisse sind keinesfalls neu: Schon 1998 fanden die beiden Psychologen Andrea Butler und James Burke, dass Mitarbeiter, die ihre Vorgesetzten als weitgehend bis völlig gerecht und fair erleben, nur halb so häufig krank sind wie Mitarbeiter, die ihre Vorgesetzten als wenig bis gar nicht gerecht wahrnehmen.
Es verwundert also nicht, wenn Andrea Nahles, Arbeitsministerin, im März 2015 eine neue Führungskultur zur Gesunderhaltung der Mitarbeiter fordert und dabei explizit nicht nur große, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen anspricht.
Nun können Führungskräfte keine Wunder vollbringen. Auch sie selbst sind häufig stark belastet. Deswegen setzen Workshops zur gesunden Führung nicht nur bei der Mitarbeiterführung an, sondern machen auch die eigene Gesundheit von Führungskräften zum Thema.
Wenn Sie wissen wollen, mit welchem „Return on Investment“ Sie rechnen können, wenn Sie in Betriebliches Gesundheitsmanagement investieren, dann lesen Sie Teil 2 des Artikels „Fit im Büro – Fass ohne Boden oder lohnende Investition?“
Quellen zum Nachlesen:
- BKK-Gesundheitsreport (2014)
- Fehlzeiten-Report (2010)
- Gesundheitsbezogene Interventionen in der Arbeitswelt. Review über die Wirksamkeit betrieblicher Gesundheitsförderung und Primärprävention (2009)
- i.Punkt 21. Wirksamkeit und Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention (2008)
- Regelungslücke psychische Belastungen schließen (2011)
- Statistisches Bundesamt, Fachserie 12, Reihe 7.2 „Gesundheit. Krankheitskosten“ (2010)
- TK-Depressionsatlas (2015)
Versuche, die Gesundheit zu optimieren, Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Produktivität zu erhöhen gibt es viele. Einige Unternehmen schreiten in Sachen Gesundheit bereits beispielhaft voran, andere ziehen nach dem Motto „Was die machen, müssen wir schon auch machen“ mit und wieder andere fragen sich „Bringt das alles überhaupt was?“, „Lohnt es sich das Geld für all diese Maßnahmen auszugeben?“. Diese Fragen tauchen umso häufiger auf, je eher es um Investitionen in die psychische Gesundheit von Beschäftigten geht. Zwei Artikel beleuchten die Notwendigkeit und den Nutzen von Betrieblicher Gesundheitsförderung, vor allem den ökonomischen. Sie machen deutlich: Investitionen in Betriebliche Gesundheitsförderung, gerade auch solche zur Förderung der psychischen Gesundheit, haben nichts mit Gutmenschentum zu tun. Sie sind betriebswirtschaftlich sinnvoll.