Betriebliche Gesundheitsförderung: zahlt sich das aus?
Der erste Teil des Artikels hat gezeigt: Betriebliche Gesundheitsförderung ist nicht nur notwendig, sondern zeigt vor allem auch Wirkung. Trotzdem kostet das natürlich Geld. Zahlt sich diese Investition am Ende aus?
Senkung der Krankheitskosten und Fehlzeiten
Der ökonomische Nutzen Betrieblicher Gesundheitsförderung wird insbesondere durch die Ermittlung von Krankheitskosten und Fehlzeiten berechnet, und wurde in den vergangenen Jahren wiederholt belegt. Eine große Anzahl von Studien wurde inzwischen auch in Übersichtsarbeiten zusammengefasst und nach Qualitätskriterien beurteilt. Larry S. Chapman untersuchte bereits 2005 in einer Metaanalyse die Ergebnisse von 56 Evaluationsstudien umfangreicher Programme Betrieblicher Gesundheitsförderung aus dem Zeitraum 1982 bis 2005.
Demnach können Krankheitskosten und Fehlzeiten durch Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung um durchschnittlich 26% gesenkt werdenKamp, L. & Pickshausen, K. (2011). Regelungslücke psychische Belastungen schließen. . Seine Ergebnisse hat der Autor zuletzt im Jahr 2012 durch ein Update der Metaanalyse repliziert. Deutlich wird in den Studien auch: Zugleich erhöht sich die Mitarbeiterzufriedenheit und damit auch deren Leistungskraft und Produktivität.
Return on Investment
Dieser Nutzen der Betrieblichen Gesundheitsförderung wurde zur Abschätzung des Einsparpotenzials den notwendigen Aufwendungen gegenübergestellt. Studienübergreifend konnte ein Return on Investment von 1:3 bis 1:6 festgestellt werden. Das heißt, dass pro eingesetztem Euro drei bis sechs Euro Ersparnis für das Unternehmen erzielt werden konnten.
Bezogen auf die Krankheitskosten, stellte Larry S. Chapman in seiner Metaanalyse von 2005 einen ROI von 1:2 bis 1:6 fest. Bei den Fehlzeiten konnten sogar Kosten-Nutzen-Verhältnisse von bis zu 1:10 erreicht werden. Berücksichtigt wurden Daten zu den thematischen Schwerpunkten „Förderung der allgemeinen Gesundheit“, „Prävention psychischer Erkrankungen“ und „Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen“. Pro Schwerpunkt wurden jeweils zwischen 300-400 Studien in die Analysen mit einbezogen. Auch wenn diese Studien größtenteils in den USA durchgeführt wurden, werden ähnliche Werte auch in ersten Zusammenstellungen von Projektveröffentlichungen für Deutschland erwartet.
Einen positiven ROI erzeugen laut bisherigen Metaanalysen insbesondere breit angelegte Mehrkomponentenmodelle, die umfassend konzipiert und auf Mitarbeiter mit gesundheitlichen Risiken ausgerichtet sind, da hier das größte Einsparpotenzial vorhanden ist.
Übersichtsartikel, die sich mit dem ökonomischen Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung speziell in Bezug auf psychische Erkrankungen befassen, sind bisher noch rar, da sich in der Regel das Hauptaugenmerk auf eine allgemeine Verbesserung des Gesundheitszustands richtet, statt gezielt auf die Reduktion psychischer Erkrankungen. Doch auch in diesen bisher seltenen Studien wird die positive Wirkrichtung deutlich: Professor Anthony LaMontagne von der Universität Melbourne veröffentlichte bereits im Jahr 2006 einen umfassenden Übersichtsartikel zum ökonomischen Nutzen betrieblicher Stressinterventionen, in den er 95 Einzelstudien einbezog, die alle von einem positiven Effekt betrieblicher Stressinterventionen berichteten.
Ein verbessertes Klima, eine bessere Organisationsstruktur und eine bessere Gestaltung von Arbeitsplätzen wirken positiv auf wirtschaftliche Faktoren wie Effizienz und Produktivität. Die Unternehmenskultur allein kann einer aktuellen Studie zufolge für bis zu 31 Prozent des finanziellen Erfolgs des Unternehmens verantwortlich sein, was hauptsächlich durch erhöhtes Mitarbeiterengagement erklärt wird. Insbesondere die sehr erfolgreichen Unternehmen bewerteten in der Studie das Engagement ihrer Mitarbeiter als den wichtigsten Erfolgsfaktor ihres Unternehmens. Auch hier kann psychologischen Interventionen eine große Bedeutung beigemessen werden: Die durch psychologische Interventionen verbesserten Faktoren Commitment, Beziehungen zwischen den Mitarbeitern und Qualitätsbewusstsein stehen nachweislich in Zusammenhang mit erhöhter Produktivität und damit sinkenden Fertigungskosten.
Dies wurde unter anderem auch bei der Evaluation der betrieblichen Gesundheitsförderung des mittelständischen Unternehmens Meyra GmbH & Co KG gefunden: Angeregt durch den Wandel hin zur „gesunden Organisation“ nahm Meyra 2006 psychosoziale Interventionen in die Gesundheitsförderung mit auf. Es wurden Interventionen zum Verhalten von Führungskräften, zur Verbesserung der Kommunikation und Konfliktmanagement und für eine bessere Unternehmenskultur durchgeführt und durch Mitarbeiterbefragungen evaluiert. Es konnten signifikante Zusammenhänge festgestellt werden.Baumanns, R.: Nachhaltiges BGM in kleinen und mittleren Unternehmen: Erfolgsfaktoren und Return on Investment Die Qualität der sozialen Beziehungen, das Commitment und das Qualitätsbewusstsein der Mitarbeiter waren signifikant gestiegen und standen in Zusammenhang mit steigender Produktivität und damit sinkenden Fertigungskosten.
Auch die Otto GmbH& Co KG setzt dabei auf ein umfassendes Programm zur Prävention von Krankheit und der Förderung der Gesundheit, basierend auf einer lebensphasenorientierten Personalpolitik mit entsprechenden Unterstützungsmöglichkeiten, Vorträgen und Workshops zu aktuellen Gesundheitsthemen und einer psychosozialen Beratungsstelle. Das Unternehmen selbst gibt an, für all diese Investitionen mit einem ROI von 1:4 oder höher zu rechnen.
Employee Assistance Programme
Immer populärer werden die sogenannten Employee Assistance Programme (EAPs), die in den USA bereits von 90 Prozent aller Großbetriebe genutzt werden. Es handelt sich hierbei um Programme zur qualifizierten Mitarbeiterberatung, die durch ein externes Unternehmen durchgeführt werden und den Mitarbeitern über alle Lebensbereiche hinweg ein optimales Beratungsangebot bieten. Bisherige Studien zur Effektivität von EAP Programmen wurden in den USA durchgeführt und konnten einen ROI von 1:2 bis 1:4 Dollar ermitteln. Eine groß angelegten Studie mit 11.576 teilnehmenden Beschäftigten zeigte, dass 95 Prozent der Teilnehmer mit dem Angebot zufrieden waren, 57 Prozent der Teilnehmer nach der Teilnahme am Programm eine erhöhte Arbeitszufriedenheit berichteten und bei 50 Prozent der Teilnehmer die Fehlzeiten zurückgingen sowie die Produktivität stieg. 60 Prozent der Teilnehmer hatten zu Beginn ihrer Teilnahme eine Depression. Durch das EAP Programm verringerte sich jedoch der Anteil der Personen mit leichten bis mittelschweren depressiven Symptomen um 48 Prozent. EAPs scheinen demnach insbesondere dann einen großen Mehrwert zu bieten, wenn es um die Prävention einer voll ausgeprägten Depression geht, indem den Mitarbeitern früh und effizient über ihre Probleme hinweg geholfen wird. Sie können, ebenso wie eine innerbetriebliche psychologische Sprechstunde, eine sinnvolle Ergänzung zu bestehenden Angeboten (z.B. des Betriebsarztes) sein und einen wichtigen Teil in einem ganzheitlichen BGM-Konzept darstellen.
Chancen ergreifen und dabei einen langen Atem beweisen
Nach wie vor erkennen viele Unternehmer die Chancen, die in Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung liegen, noch nicht. In einer groß angelegten Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wurden die Unterstützung der Work-Life Balance, die Anerkennung der eigenen Leistung, die Gesundheitsförderung und die Einbeziehung in Entscheidungen von einem Großteil der Befragten überwiegend kritisch bewertet. Wer in diesem Bereich also vorbildlich voranschreitet, wirkt nicht nur positiv auf die eigenen Mitarbeiter ein, sondern steht auch im Wettbewerb mit anderen Unternehmen in einem guten Licht.
Letztlich ist es mit Gesundheitsmanagement wie mit allem im Leben: Das, was man mit Überzeugung tut, das macht man meistens besser. Wenn Sie also einen fundierten Maßnahmenkatalog aufstellen und auch selbst als Vorbild in Sachen Gesundheit voranschreiten, haben Sie die besten Chancen, Ihre Mitarbeiter positiv zu beeinflussen. Viele Maßnahmen zeigen nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit ihre Wirkung. Daher sind Geduld und Sorgfalt oberstes Gebot, um ein nachhaltig wirksames Konzept im Unternehmen zu etablieren.
Jenseits aller Zahlen können Sie sich am Ende auch fragen, wie Sie selbst gerne arbeiten und leben würden. Das dürfte als erster Motivationsschub für einen gesunden Betrieb eigentlich schon reichen.
Versuche, die Gesundheit zu optimieren, Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Produktivität zu erhöhen gibt es viele. Einige Unternehmen schreiten in Sachen Gesundheit bereits beispielhaft voran, andere ziehen nach dem Motto „Was die machen, müssen wir schon auch machen“ mit und wieder andere fragen sich „Bringt das alles überhaupt was?“, „Lohnt es sich das Geld für all diese Maßnahmen auszugeben?“. Diese Fragen tauchen umso häufiger auf, je eher es um Investitionen in die psychische Gesundheit von Beschäftigten geht. Zwei Artikel beleuchten die Notwendigkeit und den Nutzen von Betrieblicher Gesundheitsförderung, vor allem den ökonomischen. Sie machen deutlich: Investitionen in Betriebliche Gesundheitsförderung, gerade auch solche zur Förderung der psychischen Gesundheit, haben nichts mit Gutmenschentum zu tun. Sie sind betriebswirtschaftlich sinnvoll.