Zufriedene Mitarbeiter sind produktiver (und angenehmer ;)) und der Firma generell eher von Nutzen als unzufriedene. Das ist kein neuer Hut. Ein Beispiel: Taiichi Ohno, Begründer des Toyota-Produktionssystems, sieht das Konzept der Mitarbeiterzufriedenheit als Fundament für ein gelungenes Produktionssystem und als Garant für eine hohe Kundenzufriedenheit. Und wer ist dafür verantwortlich? Genau: die Unternehmensführung und Führungskräfte des Betriebs! Taiichi Ohno selbst beschreibt seine Ansicht zu gelungenem Führungsverhalten recht deutlich:
„Wenn du an den Arbeitsplatz kommst, dann solltest du nach Dingen suchen, die du für deine Leute tun kannst. Du hast dort nichts zu suchen, wenn du einfach nur da bist, um da zu sein. Du musst nach möglichen Veränderungen Ausschau halten, die deinen Mitarbeitern zu Gute kommen können.“
Das gilt auch- und gerade- für das Thema Psychische Gesundheit. Führungskräfte sind und bleiben der zentrale Stellhebel. Führungskräfte sind Vorbilder („Wenn der Chef schon so unverantwortlich mit seiner eigenen Gesundheit umgeht, warum sollte ich das dann tun?“ bzw. „Wenn der Chef länger bleibt, kann ich dann wirklich pünktlich gehen?“). Sie entscheiden über Arbeitsbedingungen (zumindest mit) und wirken über ihr Verhalten sehr direkt auf die Mitarbeiter ein. (Mehr über das Thema des Nutzens der eigenen Gesundheit als Führungskraft und des Themas im Generellen finden Sie in dem Artikel Gesunde Führung- Das Zukunftspotenzial für Unternehmen.)
Deswegen plädiere ich auch ganz stark für eine Sensibilisierung und Schulung von Führungskräften. Dort lernen sie, wie sie sich selbst vor negativen Auswirkungen von (Arbeits-)Stress schützen, die eigene Resilienz auf- und ausbauen und Selbstfürsorge betreiben. Sie lernen aber auch, was sie tun und lassen sollten im Umgang mit Mitarbeitern. All das trägt auch Früchte: Wenn Führungskräfte an einem Training zum Thema psychische Gesundheit teilgenommen hat, wirkt sich dies unmittelbar positiv auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter aus Kelloway, E. K., & Barling, J. (2010). Leadership development as an intervention in occupational health psychology. Work & Stress, 24(3), 260–279. doi:10.1080/02678373.2010.518441. Unglaublich, oder? Jede Führungskraft hat also Einfluss auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter.
Aber welches Führungsverhalten wirkt sich genau positiv auf die Mitarbeitergesundheit aus, und welches ist kontraproduktiv? Lernen Sie die entscheidenden No Go´s und Must Have´s kennen. Die Auflistung der Verhaltensweisen ist nicht wahllos. Sie basieren auf einer großen MetaanalyseGregersen, S., Kuhnert, S., Zimber, A., & Nienhaus, A. (2011). Führungsverhalten und Gesundheit – Zum Stand der Forschung. Das Gesundheitswesen, 73(01), 3–12. doi:10.1055/s-0029-1246180, also einer umfangreichen Untersuchung von sehr vielen, wissenschaftlich hochwertigen Studien, die den Einfluss des Führungsverhaltens von Vorgesetzten auf verschiedene gesundheitsbezogene Merkmale ihrer Mitarbeiter untersuchten.
Die No Go´s
Wenn Sie dafür sorgen wollen, dass die Mitarbeiter Ihres Unternehmens so richtig in Mitleidenschaft gezogen werden, dann eignen sich dafür folgende Verhaltensweisen besonders gut:
Die Führungskraft verhält sich seinen Mitarbeitern gegenüber beleidigend.
Sie ist ungeduldig.
Sie nimmt Kritik und Anmerkungen persönlich.
Sie hat oft Konflikte mit ihren Mitarbeitern.
Die Konfliktbewältigungsmethoden der Führungskraft sind unzureichend. Sie löst Konflikte entweder gar nicht oder durch die Anwendung von autoritärem Druck statt durch konstruktive Diskussionen.
Es ist wissenschaftlich belegt, dass all diese Verhaltensweisen als Stressoren auf Mitarbeiter einwirken. Das führt zu multiplen negativen Auswirkungen- nicht nur psychologisch, sondern auch physiologisch:

Die beschriebenen Verhaltensweisen führen auf einer abstrakteren (für Sie jedoch auch relevanteren) Ebene zu niedrigerer Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter, höherem Absentismus (Mitarbeiter fehlen bei der Arbeit) und physischen wie psychischen Beeinträchtigungen. Als Unternehmen müssen Sie nicht nur mit Leistungseinbußen und Fehlzeiten rechnen, sondern auch mit einem schlechten Arbeitsklima und misstrauischen Mitarbeitern. Die Effekte sind alles andere als klein: Mitarbeiter, die ein schlechtes Führungsverhalten ihrer Vorgesetzten beklagen, haben gegenüber jenen Mitarbeitern, die das nicht anmahnten, innerhalb einer 10-jährigen Zeitspanne ein 25%-iges erhöhtes Risikos für einen Myokardinfarkt.Nyberg, A. (2009). The impact of managerial leadership on stress and health among employees. Stockholm. Im Gegensatz dazu waren Mitarbeiter, die ihre Führungskraft als inspirierend, positiv und enthusiastisch erlebten, auch auf kurze Sicht weniger krank und abwesend. Und das ganz unabhängig von ihrem generellen Gesundheitszustand!
Vermutlich denken Sie: „Ha, das mache ICH doch nicht!“. Erwischt? Dann denken Sie noch einmal darüber nach und hinterfragen Sie doch einmal Ihr konkretes Verhalten. (Das Phänomen nennen wir Psychologen übrigens „better than the average-Effekt, d.h. die Mehrheit der Menschen schätzt sich besser ein als den Durchschnitt, was statistisch aber nicht stimmen kann.)
Die wenigsten Vorgesetzten sind Sadisten. Im dichten Arbeitsalltag kann es aber schon mal vorkommen, dass sich destruktive Verhaltensweisen einschleichen. Beleidigend kann auch eine unüberlegt formulierte Aussage sein („der xy hätte das jetzt schneller hinbekommen“). Es geht nicht um die Extremität des Verhaltens, oft reichen kleine Nadelstiche, um die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter auf die Probe zu stellen.
Ein erster wichtiger Schritt kann sein, sich selbst zu erwischen. Nehmen Sie sich am Ende eines Tages Zeit, den Tag Revue passieren zu lassen. Überlegen Sie, wo Sie sich möglicherweise unbeabsichtigt ungünstig verhalten haben. Formulieren Sie einen Wenn-Dann-Plan für zukünftige vergleichbare Situationen. Und bauen Sie vor allem gesundheitsförderliches Verhalten aus. Denn, es geht nicht darum, schlechtes Verhalten zu unterlassen und sich zähneknirschend hier und da am Riemen zu reißen, sondern darum, die psychische (und damit auch körperliche) Gesundheit der Mitarbeitern direkt zu fördern.
Die Must-Haves
Bauen Sie ein gutes Verhältnis zu Ihren Mitarbeitern auf!
Mindestens 15 Einzelstudien vgl. Gregersen, S., Kuhnert, S., Zimber, A., & Nienhaus, A. (2011). Führungsverhalten und Gesundheit – Zum Stand der Forschung. Das Gesundheitswesen, 73(01), 3–12. doi:10.1055/s-0029-1246180belegen den Nutzen einer guten Beziehung zwischen Chef und Mitarbeitern eindeutig: Vorgesetzte tragen durch soziale Unterstützung ihrer Mitarbeiter zu weniger Fehlzeiten, weniger Stress- und Erschöpfungssymptomen, einer besseren Arbeitszufriedenheit und einer verbesserten psychischen Gesundheit bei. Lassen Sie sich einmal folgende Erkenntnis auf der Zunge zergehen: Soziale Unterstützung von Führungskräften führt sogar dazu, dass depressive Symptome bei Mitarbeitern zurückgehen, wenn der Stress gleichzeitig ansteigt! Die Faktoren Wertschätzung durch den Vorgesetzten und gute Kommunikation mit dem Vorgesetzten (Diskussionsbereitschaft, Unvoreingenommenheit, etc.) führen zu ähnlichen Ergebnissen. Offenbar gibt es zudem einen Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Gerechtigkeit innerhalb des Betriebs und dem (weniger) Erkranken an koronaren Herzkrankheiten bei den Mitarbeitern.
Ein relativ sperriger Begriff, Leader-Member-Exchange (kurz: LMX, dt: Vorgesetzter-Mitarbeiter-Austausch), bezeichnet in der psychologischen Forschung einen wichtigen Gradmesser. Hinter dem Konstrukt verbirgt sich einfach gesagt der Grad der Qualität der Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Generell nett und freundlich sein, das kann schon Wunder wirken. Wenn Sie darüber hinaus noch Wert auf eine qualitativ hochwertige Beziehung zu Ihren Mitarbeiten legen, dann haben Sie schon einiges erreicht. Chefs, die von ihren Mitarbeitern in hohes LMX attestiert bekommen, weisen beispielsweise folgende AttributeSchyns, B. (2002). Überprüfung einer deutschsprachigen Skala zum Leader-Member-Exchange-Ansatz. Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 23(2), 235–245. doi:10.1024//0170-1789.23.2.235 auf:
Sie sind transparent, was ihre Mitarbeiterbewertung anbelangt (die Mitarbeiter wissen, „woran sie bei ihrem Chef sind“).
Sie zeigen Verständnis für die privaten Probleme ihrer Mitarbeiter.
Sie erkennen die Entwicklungsmöglichkeiten ihrer Mitarbeiter.
Sie nutzen ihren Einfluss, um den Mitarbeitern bei Arbeitsproblemen zu helfen.
Sie helfen ihren Mitarbeitern auf eigene Kosten „aus der Patsche“.
Sie genießen so viel Vertrauen von ihren Mitarbeiter, dass diese ihre Entscheidungen verteidigen.
Sie besitzen ein gutes Arbeitsverhältnis zu ihren Mitarbeitern.
Wie mächtig das Konstrukt sein kann, zeigt eine weitere StudieHarris, K. J., Wheeler, A. R., & Kacmar, K. M. (2009). Leader–member exchange and empowerment: Direct and interactive effects on job satisfaction, turnover intentions, and performance. The Leadership Quarterly, 20(3), 371–382. doi:10.1016/j.leaqua.2009.03.006. Die Forscher stellten fest, dass eine gute Beziehung der Führungskräfte zu ihren Mitarbeitern dazu führt, dass der negative Einfluss von niedrigem Empowerment (also einer geringen Freiheit, die ein Mitarbeiter in seiner Arbeitsgestaltung hat – gerade am Band ein großes Problem) auf die Arbeitszufriedenheit, die Kündigungsabsicht und Leistung der Mitarbeiter vermindert oder teilweise sogar eliminiert wird.
InsgesamtGregersen, S., Kuhnert, S., Zimber, A., & Nienhaus, A. (2011). Führungsverhalten und Gesundheit – Zum Stand der Forschung. Das Gesundheitswesen, 73(01), 3–12. doi:10.1055/s-0029-1246180 zeigt sich, dass mitarbeiterorientierte Führung (beziehungs-verbesserungsorientiert) tatsächlich tendenziell zu geringeren gesundheitlichen Beschwerden, Stress, Fehlzeiten und Burnoutsymptomen führt. (Dagegen führt stark oder ausschließlich aufgabenorientierte Führung eher zu einer Verschlechterung der Gesundheit der Mitarbeiter.). Die Balance zwischen beiden Ausrichtungen scheint zu einem optimalen Ergebnis- Zufriedenheitsverhältnis zu führen. Meine Erfahrung aus der Praxis? Aufgrund mangelnder Zeit wird zu wenig auf Mitarbeiterorientierung geachtet. Sie fällt als erstes hinten runter („der Kunde kann nicht warten“). Umso zentraler ist es, sich als Führungskraft bewusst Zeiträume für mitarbeiterorientiertes Verhalten und Beziehungspflege zu nehmen.
Kombinieren Sie die Vorzüge verschiedener Führungsstile!
Die Psychologie unterscheidet verschiedene Führungsstile, die durch unterschiedliche Merkmale gekennzeichnet sind. Da gibt es die transaktionale Führung, die auf einem sachlichen, klar strukturierten und vertraglich anmutenden Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter beruht: Wer gut arbeitet, erhält viel Geld, wer besser arbeitet erhält mehr Geld, oder aber dann noch Lob obendrauf. Unangemessenes Verhalten wird bestraft. Die Leistung wird kontrolliert.
Gregersen und ihre Kollegen fanden heraus, dass der Aspekt der „bedingten Belohnung“ (klares Leistungs-Belohnungsprinzip) mit positiverer Arbeitszufriedenheit und reduzierten Burnout- und Depressionssymptomen einhergeht.
Transformationale Führung hingegen will die Mitarbeiter durch Inspiration motivieren. Sie setzt bei der intrinsischen Motivation an, und will für innere statt externe Anreize sorgen, der Mitarbeiter soll Lust auf Verbesserung erhalten. Gregersen fand mit ihren Kollegen heraus, dass diese Form der Führung besonders positiv auf die Gesundheit der Mitarbeiter wirkt: sie sorgt für die Verhinderung von chronischem Stress, reduziert Burnout- und Stresssymptome generell. Darüber hinaus wirkt sie auch indirekt über die Verbesserung zahlreicher Umstände (erhöhte Bedeutung der Arbeit, höhere Arbeitszufriedenheit, höhere wahrgenommene Unterstützung der Führungskraft, etc.) die ihrerseits zu einer besseren Gesundheit der Mitarbeiter führen.
Fazit und einmal „sich erwischen, bitte“!
Wenn es gut gelaufen ist, verfügen Sie nun über ein grundlegendes Wissen zur Mitarbeiterführung und dem Einfluss von Führungskräften auf das gesundheitliche Klima in Ihrem Betrieb. Wenn Sie mögen, schauen Sie in einem schnellen Selbstcheck doch einmal auf Ihr gesundheitsbezogenes Führungsverhalten. Dafür habe ich als pdf einen Selbstcheck einer geschätzten Kollegin hinterlegt, die sich bereits lange mit dem Thema „Gesundes Führen“ beschäftigt.
Was bleibt? Nehmen Sie das Heft in die Hand, die Chancen für gesunde Führung wahr und führen Sie (durch teilweise sehr kleine Veränderungen) den Wandel hin zu einem gesünderen Unternehmen herbei! Ich unterstütze Sie gern dabei.