Wie Sie als Mitglied zur Konfliktbewältigung im Team beitragen können
Jeder kennt sie, keiner mag sie – Szenen wie diese: Man selbst selbst ackert wie verrückt und leise schleicht sich der Eindruck ein, Kollege Maier trödelt beim Arbeiten herum oder ist einmal zu häufig in der Raucherpause. Frau Schmidt liefert unvollständige Arbeitsergebnisse und man selbst darf regelmäßig nacharbeiten. Wer Glück hat, ist nicht selbst mittendrin im Konfliktherd, sondern beobachtet das nur. Vielleicht ist die Situation einmalig und harmlos, wenn zum Beispiel der neue Kollege in seiner Unwissenheit Herrn Müller vor dessen erstem Kaffee am Morgen anspricht und daraufhin gleich nett von der Seite angemacht wird. Schon weniger harmlos ist der regelmäßige Disput zwischen Frau Roller und Herrn Meister darüber, ob das Fenster nun offen oder geschlossen sein sollte. Wenn am Ende zwischen zwei Kollegen absolute Funkstille mehr herrscht oder der eine den Wasserkocher des anderen nicht mehr mitbenutzt, dann ist meist das Ende der Fadenstange erreicht.
Anlässe für Konflikte gibt es zahlreiche, wenn man täglich miteinander arbeitet. Die meisten Konflikte beginnen leise und schleichend. Werden sie nicht adäquat behandelt, schaukeln sie sich unbemerkt sehr schnell hoch und werden persönlich. Bis Menschen wie ich schließlich nach mehreren Jahren Konflikthistorie gerufen werden, um schnell wieder für eine konstruktive Zusammenarbeit zu sorgen.
Konfliktbehaftete Situationen sind auf Dauer ganz schön zermürbend und energiefressend. Mit ihnen kann und sollte jedoch immer dort gerechnet werden, wo Menschen zusammen arbeiten. Konflikte kommen unter anderem dadurch zustande, dass ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Teammitgliedern herrscht und wir uns gleichzeitig unsere Kollegen nicht selbst aussuchen. Anders als Freunde sind die Kollegen nun einmal da, ob wir sie mögen oder nicht. Und das auch noch täglich. In der Praxis sind einige übliche Verhaltensweisen zu beobachten, wie Menschen auf Konflikte reagieren und mit ihnen umgehen:
Leugnen: Viele Menschen sind sehr begabt darin, Konflikte einfach zu ignorieren nach dem Motto „Konflikt? Welcher Konflikt? Also ich weiß von nichts.“ – und das selbst dann, wenn sie im Mittelpunkt des Geschehens stehen.
Angriff: Je nachdem, wie eskaliert die Situation ist und wie leicht man temperamentsmäßig „auf 180“ aufdreht, wird Krieg gespielt. Wahlweise erfolgen Koalitionsbildungen („Wir gemeinsam gegen den Feind“) oder Einzelangriffe. Meist, weil man selbst nicht als Verlierer vom Platz gehen will. Da bleibt folgerichtig nur der Angriff nach dem Motto „Dem werde ich’s aber zeigen! Was denkt er wer er ist? So lasse ich bestimmt nicht mit mir umgehen.“
Flucht: Wer allzu harmonieliebend ist oder Sorge hat, zwischen den Fronten selbst „hops genommen“ zu werden, entscheidet sich häufig dafür, das Spielfeld zu verlassen. („Oh jemine, da ist schon wieder dicke Luft. Na dann verzieh ich mich mal lieber gleich wieder.“)
Mauern & Blocken: Entweder nach andauerndem Konfliktverlauf oder aber auch aus falsch verstandenem Stolz beobachte ich immer wieder Situationen, in denen alle Versuche einer Person, einen Konflikt zu lösen auf meterhohe Mauern stoßen. Die Binnenlogik geht dann meist so: „Kollege Z ist immer unfreundlich wenn man ihn etwas fragt. Letztes Mal hat er mich richtig angefahren. Jetzt kommt er angeschleimt, aber der tut ja nur so. Das kann er vergessen. Ich lasse mich nicht reinlegen.“
Vor allem anderen kommt die Reflexion
Bekanntlich ist Selbsterkenntnis ja der erste Schritt zur Besserung. Kennen Sie schon von Ihrer Großmutter. Stimmt aber, also überlegen Sie: Haben Sie sich in einer der Beschreibungen wieder erkannt? Was ist Ihr typisches Verhaltensmuster in einem Konflikt?
Sind Sie ein Strauß, der gerne den Kopf in den Sand steckt, sich aus allem raushält und so versucht, durch optimale Tarnung jeglichem Tumult aus dem Weg zu gehen? Oder sind Sie ein Löwe, der schon beim kleinsten Anzeichen von Unstimmigkeiten angreift, um seinem potenziellen Gegner zuvorzukommen? Oder erkennen Sie sich als Antilope wieder, eher Gejagte(r) als Jäger und lieber auf der Flucht vor Konflikten, um nicht selbst zum Opfer zu werden? Ansonsten gäbe es da noch den Esel, der durch sein Mauern und Blocken zum komplizierten Gesprächspartner wird, weil man das Gefühl hat, mit der Wand zu reden.
Nun, wer sich wieder erkennt, braucht sich nicht ertappt fühlen. Hinter all den Verhaltensweisen stecken meist gute Absichten, z.B. vorsichtig sein, um nicht der Elefant im Porzellanladen zu sein oder Angriff als Methode des Selbstschutzes, und aufgeladene Situationen verführen uns nahezu zu einer dieser Verhaltensweisen.
Wer mit den bisherigen Strategien gut fährt, dem muss nichts anderes beigebracht werden. Erfahrungsgemäß sind diese Strategien zumindest bei länger andauernden Konflikten kein Beitrag zur Lösung. Manche von ihnen führen sogar zu voran schreitender Eskalation.
Wie mache ich es nun besser?
Haltung annehmen, Konflikte normalisieren und enttabuisieren
Für einen konstruktiveren Umgang mit Konflikten lohnt zunächst eine bestimmte Haltung: Konflikte sind als solches nichts Problematisches. Sie sind Ausdruck unterschiedlicher Interessen und Bedürfnisse, über die man sich mal eben nicht so einfach einigen kann. Hinter vielen Konflikten verbirgt sich der Wunsch, die Arbeit gut zu machen – doch wenn nicht geklärt ist, wer wofür zuständig ist, kann es schnell zu Reibereien kommen. Oder es geht um Gerechtigkeitsfragen – mit dem Unterschied, dass Müller etwas anderes als gerecht empfindet als Maier. Mit Konflikten zu rechnen, sie zu normalisieren (anstelle sie totzuschweigen), ist ein wichtiger erster Schritt. Dieser wird im Idealfall zunächst innerlich vollzogen.
Bewusst entscheiden für anderes Verhalten
Wer findet, dass bisherige Strategien nicht wirklich zur Lösung beigetragen haben, kann sich überlegen, ob er etwas anders machen will. Da es aber bekanntlich nichts ohne Preis gibt, lohnt sich die genaue Bilanzierung. Fragen wie die folgenden können helfen, sich selbst Klarheit darüber zu verschaffen, ob es durch das Ausprobieren von etwas anderem mehr zu gewinnen als zu verlieren gibt:
Welche guten Gründe habe ich, alles so zu machen wie bisher?
Welche guten Gründe würden mir einfallen, etwas anders zu machen als bisher?
Was gäbe es auf Dauer für mich selbst und die anderen zu verlieren, wenn alles so weiterginge wie bisher?
Was gäbe es zu gewinnen, wenn der Teamgeist wieder hergestellt werden könnte?
Worum geht es mir eigentlich wirklich? Kann ich das erreichen? Wenn nicht, ist eine realisierbare zweitbeste Lösung immer noch günstiger als ein ewig schwellender Brandherd oder ist es gerade wichtig, dass es diesen Dauerbrandherd gibt, weil der andere auf etwas aufmerksam macht, das sie sonst nicht bemerken würden?
Entschließt man sich zu handeln, geht es darum, konstruktiv in den Dialog zu gehen. Inhaltliche Transparenz ist gefragt, denn wenn Kollege Z gar nicht weiß, dass ihn andere für unfreundlich halten, wie soll er dann an seinem Verhalten arbeiten? Aber auch die Bereitschaft, nicht die eigene Perspektive und Lösung als die einzig Wahre anzuerkennen, und die Bereitschaft, den anderen wirklich zu verstehen und ernsthaft an einer gemeinsamen Lösungsfindung interessiert zu sein. (Wenn Sie merken, das sind Sie nicht, dann lassen Sie alles wie bisher. Seien Sie sich nur im Klaren, dass auch das seine Preise hat und seien Sie bereit, diese zu bezahlen!)
Konflikte entpersonalisieren = Kapieren, dass Kommunikation extrem voraussetzungsreich ist
Kennen Sie Gedanken wie: „Ich habe es ihm/ihr schon 100-mal gesagt und erklärt, aber ich kann reden so viel ich will, es bringt alles nichts.“ Vermutlich schon. Darüber ärgern wir uns meist wie verrückt. Die Erklärung: Der andere ist schuld. Wir schreiben es wahlweise seiner Blödheit, seinem Desinteresse, seiner mangelnden Wertschätzung, vielleicht auch dem übermäßigen Kaffeekonsum zu. Selten kommen wir auf die Idee, dass es nicht an dem Gegenüber liegen könnte, sondern an der Kommunikation an sich.
„Das größte Problem bei Kommunikation ist die Illusion, dass sie stattfand.“ G. B. Shaw
Kennen Sie die Comics von Hägar, dem Schrecklichen? Es gibt eine Szene, da steht Hägar beim Arzt, der ihm mitteilt, dass es um seine Gesundheit sehr schlecht bestellt sei. Er sagt: „Wenn du deine Esslust, deine Trinkerei und Rauferei nicht einstellst, kann ich dir auch nicht mehr helfen.“ Auf die Nachfrage seiner Frau daheim, was der Arzt gesagt habe, antwortet ihr Hägar: „Ich muss wohl den Arzt wechseln. Er sagt, er könne mir nicht helfen:“ Was kann man daraus lernen? Hier wird es auf die Spitze getrieben, aber rechnen Sie damit, dass der andere nicht genau versteht, was Sie meinen (selbst, wenn er bemüht wäre) und dass Sie auch nicht genau wissen, was der andere mit dem sagen wollte, was er gesagt hat (und Sie meinen, verstanden zu haben).
Es hilft, noch einmal nachzufragen. Oft erledigen sich Konflikte schon an diesem Punkt (z.B. „Ach SO hast du das verstanden, das tut mir leid, so hatte ich es nicht gemeint“). Dafür ist die oben bereits beschriebene Haltung von Vorteil: Bemühe dich, die andere Partei wirklich verstehen zu wollen und zu verhandeln, statt dich vorrangig auf deine eigene Position zu konzentrieren. Bestimmte Fragen können beim Perspektivwechsel helfen: Wofür kämpft der andere, wofür macht er sich stark? Was davon kann ich verstehen – auch wenn ich die Art und Weise vielleicht nicht gut heiße? Wie würde ich mich an seiner Stelle fühlen?
Gewaltfreie Kommunikation als Königsweg für konstruktive Dialoge
Eine inhaltliche, sachlich gut argumentierte Diskussion will man meist haben, selten ist sie zu kriegen. Ein gängiger Fehler in Konfliktgesprächen ist es, die eigenen Emotionen und Bedürfnisse nicht zum Thema zu machen. Dabei würde das viel entschärfen, und man könnte über die Interessen und Bedürfnisse sprechen. Als Hilfe und Tipp dienen vier Schritte der sogenannten gewaltfreien Kommunikation von Marshall Rosenberg:
- Beobachtung – beschreiben, was ich wahrgenommen habe (Fakten, keine Bewertungen)
- Gefühle – äußern, wie es mir damit geht
- Bedürfnisse – sagen, was ich brauche und was mein Anliegen ist
- Bitte – konkret bitten statt allgemein fordern
Rosenberg spricht sich dafür aus, zu sagen, was man will, statt was man nicht will: „Wenn ich a sehe, dann fühle ich b, weil ich c brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne d.“
Weil Bekanntliches vieles anschaulicher wird, wenn man es konkret sieht, hier zwei Beispiele:
Wie es typischerweise läuft und wie man eine Eskalation erzeugt, wenn man sie haben möchte:
„Nie gibst du mir die Informationen konkret weiter, ständig übernimmst du Teile meiner Aufgaben und lässt deine eigenen liegen. Bei so viel Inkompetenz wird einem ja schlecht, mir reicht‘s, so kann ich nicht arbeiten!“
Wie es mit gewaltfreier Kommunikation klingen würde:
„Wenn ich sehe, dass du Tätigkeiten übernimmst, die in mein Aufgabengebiet fallen, fühle ich mich übergangen, weil ich vorher nicht informiert wurde. Es ist mir wichtig zu wissen, was in meinem Verantwortungsbereich läuft. Bitte gib mir das nächste Mal vorher Bescheid.“
Der wesentliche Gewinn gewaltfreier Kommunikation ist das Äußern von Gefühlen („wie es mir damit geht“) und von Anliegen („was ich brauche und mir wichtig ist“). In Konflikten geht beides meist unter. Gerade das Äußern von Gefühlen und Bedürfnissen erleichtert jedoch den Perspektivwechsel und erhöht die Wahrscheinlichkeit für konstruktive Dialoge. Probieren Sie es aus und lassen Sie mich und andere von Ihren Erfahrungen profitieren.